Mut zahlt sich immer aus!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Martin war bei einer kleinen Firma angestellt, er verdiente gut und hatte eine glückliche Familie. Deshalb machte er sich keine Sorgen, als die Einladung zum 30jährigen Klassentreffen ins Haus flatterte. Er würde nicht aus der Reihe tanzen, er hatte einiges erreicht, er würde gut dastehen. Als der Tag des Wiedersehens herangerückt war, war Martin aber doch etwas nervös. Er hatte die Leute teilweise schon seit 30 Jahren nicht mehr getroffen. Nur mit seinem Freund Jürgen, der in derselben Firma angestellt war, hatte er ein sehr gutes Verhältnis. Natürlich saßen sie am Tisch in der kleinen Eckkneipe, die gegenüber ihrer alten Schule lag, nebeneinander.

„Schau mal, da kommt die durchgeknallte Renate!“, flüsterte Jürgen ihm zu. Tatsächlich war Renate einer der wenigen der Runde, die sich überhaupt nicht verändert zu haben schien. Sie trug immer noch viel zu bunte Kleidung und eine auffällige Frisur. Früher war sie an der ganzen Schule für ihre seltsamen Taschen bekannt gewesen, die in allen Regenbogenfarben glänzten und von ihr selbst mit den absurdesten Sprüchen beklebt waren. „Sie sieht aus, als würde sie unter einer Brücke schlafen“, Martin lachte und die beiden Männer verfolgten mit ihren Blicken mitleidig das seltsame Wesen, das sich am anderen Tischende niederließ.

„Dass der das nicht unangenehm ist, so rumzulaufen. Die hat wohl niemanden, der ihr sagt, wie seltsam sie aussieht“, raunte Jürgen. Martin stimmte ihm johlend zu. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wieso jemand, der bereits zu Schulzeiten für sein Äußeres gemobbt worden war, sich entschließen sollte, weiter so herumzulaufen. „Mutig“, sagte er mit einem tief ironischen Unterton. „Findet ihr nicht auch?“, lehnte sich Tino herüber, der früher Klassensprecher gewesen war, „Wer hätte gedacht, dass die das so durchzieht?!“ „Was macht die denn jetzt? Hat sie wenigstens jemanden, der sich um sie kümmert?“, fragte Martin, der fast ein schlechtes Gewissen bekam, weil er sich früher schon immer über Renate lustig gemacht hatte. Er fühlte sich einen Augenblick wieder, wie ein kleiner, unsicherer Junge.

Tino sah ihn sehr erstaunt an: „Ihr wisst das nicht?“ Beide Männer schüttelten den Kopf. „Renate hat ein Taschenimperium aufgebaut. Sie hat doch die ganze Zeit davon geredet und schon in der Schulzeit daran gearbeitet. Sie entwirft noch immer alle ihre Kollektionen selbst und verkauft sie weltweit. Ich habe gehört, dass sie jeden Tag um 5 Uhr aufsteht – obwohl sie das mittlerweile nun wirklich nicht mehr nötig hat. Wahnsinn, dass sie es überhaupt geschafft hat, heute hier zu sein, normalerweise ist sie jede Woche auf einem anderen Kontinent. Das muss ein spannendes Leben sein, oder?“ Martin starrte mit offenem Mund in Renates Richtung: „Sie kann davon leben?“, fragte Jürgen neben ihm ungläubig. Tino lachte laut und rief über den Tisch zu Renate hinüber: „Hey, Renate, die zwei Jungs hier zweifeln deine Millionen an!“ Renates Mund verzog sich zu einem amüsierten Schmunzeln: „Mutig!“, sagte sie.

Was wir aus dieser kleinen Geschichte mitnehmen sollten, ist die Erkenntnis, dass Mut sich fast immer auszahlt – egal, für wie verrückt einen die anderen halten. Wenn Fleiß und Durchhaltevermögen hinzukommen, kann etwas Großes aus unseren Ideen entstehen.

Es ist alles eine Frage des Willens. Echte Profis machen weiter, wenn sie von etwas wirklich überzeugt sind, selbst wenn sich Ihnen Hindernisse in den Weg stellen. Ich wünsche Ihnen Mut – auch für die Zeiten, in denen andere das Potential bunter Taschen nicht sehen!

Herzliche Grüße

Ihr Alexander Verweyen