Der Verkäufer mit Gefühl für sich selbst aber auch für seine Kunden

Der Verkäufer mit Gefühl für sich selbst und für seine Kunden

Der Verkäufer mit Gefühl für sich selbst …

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen mit einem potentiellen Kunden zusammen bei einem Verkaufsgespräch. Die Verhandlungen sind schon recht weit fortgeschritten und sehen für Sie eigentlich auch ganz gut aus. Ihr Ansprechpartner stellt Ihnen schließlich die Frage, ob Sie ihm bei einem entsprechend großen Auftragsvolumen nicht fünf Prozent Rabatt auf den Verkaufspreis gewähren könnten.

Die unterbewusste Reaktion

Nor­malerweise wäre dies kein Problem für Sie, ohnehin haben Sie bis zu zehn Prozent Rabatt in Ihre Kalkulation mit eingerechnet. Dennoch verneinen Sie den Wunsch Ihres Ansprechpartners. Das Geschäft platzt schließlich. Hinterher läuft der folgende Monolog in Ihnen ab:

„Gerade habe ich ein gutes Geschäft platzen lassen, weil ich einen Rabattwunsch, entgegen meiner sonst üblichen Praxis, abgelehnt ha­be. Also muss ich den Abschluss unbewusst nicht gewollt haben. Ich glaube, dass mir mein Ansprechpartner einfach zu unsympathisch war.“

Ihr Verhalten hat Sie also auf Ihre gefühlsmäßige Einstellung Ihrem Gesprächspartner gegenüber aufmerksam gemacht. Während des Gesprächs war Ihnen die entsprechende Antipathie nicht einmal richtig bewusst.

Eine gängige sozialpsychologische Theorie geht davon aus, dass der­artige Prozesse der Selbstwahrnehmung durch drei Faktoren gesteu­ert werden:

  • Konsistenz: Verhalte ich mich in der entsprechenden Situation immer ähnlich? (Gewähre ich in einem Akquisitionsgespräch in der Regel Rabatt?)
  • Distinktheit: Verhalte ich mich nur in der betreffenden Situation so, wie ich mich verhalten habe? (Gewähre ich nur Herrn Müller von Müller Inc. Rabatt?)
  • Konsens: Wie würden sich andere in dieser Situation verhalten? (Würde jeder andere Verkäufer ebenfalls einen Rabatt gewäh­ren?)

Natürlich ist der Weg, von seinem Verhalten auf seine Gefühle zu schließen, nur ein Weg, um sich seiner Emotionen bewusst zu werden. Der andere Weg ist gewissermaßen der Weg „nach innen“. Aktuelle Gefühle werden dabei aktiv und bewusst registriert, ohne den „Umweg“ über bestimmte Verhaltensweisen.

… und für seine Kunden

Die bewusste Wahrnehmung unserer eigenen Gefühle ist nicht nur deshalb wichtig, weil wir nur so die vollständige Kontrolle über unser Verhalten haben können. Sie ist auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil sie die Basis dafür ist, dass wir auch die Gefühle an­ derer bewusster wahrnehmen, dass wir erkennen, was andere empfin­den.

Wer nur über ein sehr eingeschränktes Gefühlsleben verfügt und für seine Gefühle nicht offen ist, kann natürlich die nuancierten Ge­fühlsäußerungen seines Gegenübers nicht verstehen. Aber genau auf dieses Verstehen kommt es an, wenn sich Verkäufer in Kundengesprä­chen ein Bild von ihrem Gesprächspartner machen wollen, wenn sie bestimmte Urteile über ihn fällen, die eine Geschäftsbeziehung entscheidend mit beeinflussen können.

Überlegen Sie sich doch ein­mal, wie ein Kundengespräch verlaufen würde, wenn Sie permanent falsche Urteile über Ihren Gesprächspartner bilden würden:

Ein ziel­orientiertes Gespräch wäre nahezu unmöglich

Voraussetzung für ein erfolgreiches Kundengespräch ist die richtige Einschätzung des Kunden, nur sie ermöglicht kundenindividuelles Verkaufen. Eine falsche Einschätzung eines Gesprächspartners kann auch zu einem Effekt führen, der in der Psychologie als „self-fulfilling pro­phecy“ bezeichnet wird, als sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Nehmen Sie einmal an, Sie werden zu einem Gespräch zu einem Kunden eingeladen, den Sie noch nicht persönlich kennen, von dem Sie aber bereits gehört haben, dass er ein ziemlich aggressiver Ge­sprächspartner sein soll. Mit diesem „Wissen“ sitzen Sie ihm jetzt im Gespräch gegenüber und pressen alles, was der andere sagt, in diese Schablone Ihres Vorurteils. Sie versehen alle Äußerungen des ande­ren mit dem Label „tendentiell aggressiv“. Weil Sie noch nicht acht­sam genug mit Ihren Gefühlen umgehen, ist Ihnen dieser Mechanis­mus nicht bewusst.

Die vermeintliche tendentielle Aggressivität der Äußerungen Ihres Gegenübers ist für Sie also nicht das Ergebnis Ihres eigenen Vorurteils, sondern eine „objektive“ Eigenschaft Ihres Ansprechpartners.

Die Self-fulfilling prophecy

Und entsprechend verhalten Sie sich dann auch, denn wer will es sich schon gefallen lassen, in einem Gespräch in die Ecke gedrängt zu werden. Auf eine neutrale Bemerkung Ihres Ge­sprächspartners, die von Ihnen gemäß Ihres Vorurteils falsch inter­pretiert wird, reagieren Sie mit einem, wie Sie meinen, „Gegen­angriff“: Sie geben jetzt eine wirklich aggressive Bemerkung von sich. Spätestens beim dritten Mal wird Ihr Ansprechpartner auf Ihren aggressiven Ton reagieren und wehrt sich seinerseits durch eine etwas rauhere Sprache.

Das Ergebnis: Ihr Ansprechpartner reagiert aggres­siv, und Sie sehen sich in Ihrem Vorurteil bestätigt, was Sie durch Ihr eigenes Verhalten jedoch erst provoziert haben.

Eine objektive Wahrnehmung muss gewährleistet sein!

Die objektive Wahrnehmung unseres Gegenüber ist deshalb von entscheidender Bedeutung. Als Verkäufer können Sie nur dann ein effektives Gespräch führen, also in Ihrem Sinne steuern, wenn Sie nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen richtig einschätzen. Doch auf dem Weg zur korrekten Wahrnehmung eines Gesprächs­partners lauern einige Wahrnehmungsfallen, die unter anderem ihren Ursprung in einer mangelhaften Beobachtung des eigenen Gefühlshaushalts haben.

Vermeiden Sie Wahrnehmungsfallen

Verkäufer müssen sich vor Wahrnehmungsfallen im Gespräch hüten! Dass die Beobachtung der eigenen Gefühle aber nicht ganz so trivial ist, haben wir bereits gesehen. An einem kurzen Beispiel soll noch einmal verdeutlicht werden, wie schnell wir sogar das Bild fälschen, das wir von uns selbst haben:

Menschen streben in der Regel danach, unter fast allen Umständen ein positives Bild von sich selbst zu ent­werfen. Wenn wir einmal einen Job in den Sand gesetzt haben, oder wenn wir vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe stehen, legen wir uns bestimmte Erklärungsmodelle zurecht, in denen die Schuld so verteilt wird, dass wir selbst möglichst gut dabei wegkommen. Dieser Mechanismus wird oft unbewusst gesteuert.

Ein Verkäufer, der weiß, dass er in zwei Wochen ein Akquisitionsgespräch in einem Kreis hochrangiger Manager führen muss, von dem sehr viel für ihn abhängt, wird sehr wahrscheinlich die letzten Nächte vor dem Termin schlecht schlafen. Eventuell sinken in Erwartung des gefürchteten Termins seine Lebensgeister so weit, dass er von einer Erkältung, einer Gastritits oder starken Kopfschmerzen heimgesucht wird.

Zum Ge­spräch selbst ist er so geschwächt, dass er seine Ansprechpartner auch tatsächlich nicht überzeugen kann

Er selbst hat dann sofort ein pas­sendes Erklärungsmodell parat: „Klar, dass ich den Abschluss nicht geschafft habe, bei meiner Grippe. Wäre ich fit gewesen, hätte ich den Auftrag jetzt bestimmt in der Tasche.“ In Wirklichkeit jedoch hat die Überzeugung dieses Verkäufers, dass er bestimmt versagen wird, dafür gesorgt, dass er eine Ursache finden kann, die außerhalb seiner selbst beziehungsweise seiner Fähigkeiten liegt, nämlich die Übermü­dung oder Schwächung durch Krankheit.

Obwohl wir es also mit sehr komplizierten und trickreichen Mechanismen bei der Selbst- und Fremdwahrnehmung zu tun haben, können wir durch die entspre­chende Aufmerksamkeit bestimmten Wahrnehmungsfallen entgehen.